Haben Sie noch Sex?

Nicht, dass es unbedingt nötig wäre, dass Paare Sex miteinander haben müssen, um glücklich miteinander zu sein. Wenn sich aber der Sex aus einer Paarbeziehung verabschiedet hat, so sollten Paare über diesen Umstand doch einmal miteinander sprechen, damit es nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt.

Die Antwort auf die Frage in der Überschrift könnte nämlich, zumindest für einen der Partner* auch lauten: „Ja, aber nicht miteinander“. Wenn Paare keinen Sex mehr miteinander haben, ist also nicht unbedingt davon auszugehen, dass die beiden Beteiligten gar keinen Sex mehr haben.

Aus der Praxis

Oft begegnet mir in meiner Praxis folgende Geschichte: Person A wird zunehmend desinteressiert an gemeinsamem Sex. Person B hat weiterhin Interesse, ist aber auf Dauer durch das sexuelle Desinteresse von Person A zunehmend frustriert und stellt irgendwann seine eigenen Avancen und sexuellen Angebote in Richtung Person A ein.

Person A deutet dies meist so, dass Person B nun ebenfalls sein sexuelles Begehren verloren hat und empfindet dies meist als Erleichterung, weil sie nicht ständig das sexuelle Ansinnen von Person B zurückweisen muss. Die Welt scheint wieder in Ordnung, gerade auch dann, wenn Person A plötzlich insgesamt wieder zufriedener wirkt, und es nicht mehr so viel Streit gibt über das leidige Thema Sex.

Jähes Erwachen

Manchmal kommt es dann nach Jahren zu einem jähen Erwachen, wenn herauskommt, das Person A seit Jahren eine oder wiederholte Affairen hat.

Kommen wir zurück zu Anfang: Nicht immer, wenn der Sex innerhalb eines Paares eingeschlafen ist, muss das heissen, dass einer der beiden Partner daraufhin fremd geht. Aber eben so wenig ist selbstverständlich davon auszugehen, dass der sexuell forderndere Partner, plötzlich ein Leben ohne Sex für sich hinnimmt.

Ein Klient hat es in einer Beratung seiner Partnerin gegenüber sehr deutlich auf den Punkt gebracht: „Überrascht es Dich denn wirklich so sehr, dass ich mit Mitte 40 nicht bereit bin auf Sex zu verzichten, nachdem ich ihn von dir schon jahrelang nicht mehr bekomme?“

Fazit

Kommen Sie ins Gespräch miteinander, wenn sie keinen gemeinsamen Sex mehr haben um zu klären, ob dies für beide Seiten stimmig ist. Auch in dieser Phase kann es schon hilfreich sein, ein solches Gespräch in der Obhut eines professionellen Begleiters zu führen.

Gehen Sie nicht davon aus, dass das Interesse an Sexualität bei beiden gleichzeitig und synchron erlischt.

Wenn der Partner der bisher immer zu gemeinsamem Sex gedrängt hat, plötzlich damit aufhört, kann (muss nicht!) das ein Zeichen sein, dass er/sie anderweitig für sich sorgt.

Je jünger eine Person ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie über längere Zeit bereit ist, gänzlich auf Sex zu verzichten

Nehmen Sie frühzeitig professionelle Hilfe an, wenn das sexuelle Begehren ins Ungleichgewicht  gekommen ist. Es ist gefährlich, das einfach „auszusitzen“.

 

*= Es sit sowohl die männlicje wie die weibliche Form gemeint, also Partner bzw. Partnerin

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Anerkennung, verrechnet

Nehmen Sie an, ein Freund schuldet Ihnen noch 100 €. Gerade als er Ihnen seine Schulden zurückzahlen will, möchten Sie ihm sein Fahrrad abkaufen. Sie einigen sich auf einen Kaufpreis von ebenfalls 100 €. Da erscheint es doch naheliegend und praktisch, dass beide ihr Portemonnaie stecken lassen und der Kaufpreis gegen die Schulden einfach verrechnet wird. Wer aber dieselbe Logik in einer Beziehung anwendet und auf diese Weise gegenseitig Anerkennung und Wertschätzung verrechnet, der hat sich verrechnet.

* = Es ist sowohl die männliche wie weibliche Form gemeint.

Leider begegne ich aber genau diesem Phänomen häufig bei den Paaren, die ich in meiner Praxis begleite. Oft zeigt sich relativ schnell, dass sich die Partner* vom jeweils anderen* mehr gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung wünschen. Kaum ist dieser Wunsch von beiden ausgesprochen bzw. gehört worden, beginnt meist sofort, fast instinktiv eine Phase der Rechtfertigung und Verteidigung: Man habe ja selbst mindestens eben so viel für die Partnerschaft und Familie geleistet wie die andere*, dies würde ja auch für selbstverständlich genommen und nicht gesehen und man sei daher also quitt.

Wunsch nach Wertschätzung gegenseitig anerkennen

An diesem Punkt biete ich dem Paar eine andere Perspektive und Handlungsoption an. Statt in Abwehr und Verteidigung zu verfallen, um das bisherige Verhalten zu rechtfertigen, schlage ich vor, zunächst den meist beidseitigen Wunsch nach mehr Wertschätzung gegenseitig anzuerkennen. Und im zweiten Schritt geht es dann eben genau darum, zukünftig die Wertschätzung der Partnerin* gegenüber auch zum Ausdruck zu bringen, und nicht, wie die beiden Freunde aus der Einleitung, einfach stillschweigend zu verrechnen.

Vor dem Anerkennen steht das Erkennen. Um dem Anderen* also die gewünschte Wertschätzung entgegen bringen zu können, müssen wir uns zunächst dafür öffnen, dessen* Leistung und Tun für die Familie und Partnerschaft zu erkennen und auch zu würdigen. Es mag etwa Zeit des Bewusstwerdens und Übens vergehen, bis wir gelernt haben, das vermeintlich Selbstverständlich, „das wir ja schließlich auch tun“, beim Partner* wirklich zu würdigen. Und es mag noch weitere Zeit vergehen, bis wir diese Würdigung und Anerkennung der Partnerin* gegenüber auch mit Worten ausdrücken können.

Alle Lernprozesse brauchen Geduld

Wie bei allen persönlichen Lern- und Erweiterungsprozessen ist es aber nicht so entscheidend, wie schnell die Entwicklung vorankommt, sondern dass Sie sich auf den Weg machen. Lassen Sie also sich und Ihrem Partner* gegenüber Geduld und Nachsicht walten und wertschätzen Sie auch kleine Fortschritte und Veränderungen.

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Prinzip 5: Dynamik statt Schuld

 

Ein Beziehungsberater ist kein Richter und eine Beziehungsberatung kein Gerichtsprozess. Obgleich dies wohl allen meinen Klienten klar sein dürfte, erlebe ich es immer wieder, dass jede(r) dem/der anderen die Schuld gibt an der schwierigen Beziehung, die aber vom anderen verständlicherweise nicht angenommen wird. Für solch eine Dynamik, die zu nichts führt, als zu noch mehr Verdruss, braucht man kein Geld bei einem Beziehungsberater ausgeben – das kann man zu Hause billiger haben. Wie aber kann die Kraft die der Paardynamik inne wohnt stattdessen zielführend ausgerichtet werden? 

Wer Schuld hat, hat etwas falsch gemacht, der andere der keine Schuld hat, hat alles richtig gemacht – so das Konzept. Kein Wunder also, dass immer der/die andere Schuld haben soll, damit wir selbst alles richtig gemacht haben. Das fühlt sich einfach besser an. Für meine(n) Partner(in) allerdings auch und so wird der schwarze Peter immer hin und her geschoben und nichts bewegt sich, oder wenn, dann abwärts.

Da Sie bei der Beziehungsberatung aber nicht vor Gericht stehen, ist die Frage nicht, wer hat Schuld, was macht mein Partner falsch, und auch nicht was mache ich falsch, sondern was bewirkt mein Tun bei meinem Gegenüber. Und sein/ihr Tun bei mir. Während erstere Fragen ein Fehlverhalten unterstellen und damit „automatisch“ zu Abwehr führen, ist die letztere eine Forschungsfrage, die uns Auskunft gibt, wie die Zahnräder im „paardynamischen Getriebe“ ineinandergreifen.

Es ist ganz praktisch betrachtet also nicht die Frage, ob es falsch oder richtig ist, die berühmte Zahnpasta Tube offen zu lassen, sondern was es bei meinem Gegenüber bewirkt, wenn ich das tue und aus welchem Grund ich es tue bzw. lasse.

  Von der Schuld zur Verantwortung

Wenn es nicht mehr um die Schuldfrage geht, nicht mehr um ein Fehlverhalten, erst dann können wir uns bewegen, weil wir uns nicht mehr verteidigen müssen. Die Frage nach der Schuld lässt uns automatisch in eine Abwehrhaltung und Blockade gehen. Durch dies Verteidigungsbarrikaden verbauen wir und selbst und der/dem anderen den Weg aufeinander zu. Den Weg zu Wohlwollen und Verständnis für die Position des anderen.

Machen sie den Test: Überlegen Sie, ob Sie schon jemals durch Schuldzuweisungen an den/die Partner(in) eine Situation in ihrem Sinne verbessern konnten?

Statt „Du hast Schuld“ wäre der Weg, den ich meinen Klienten bei der Beratung nahelege und auch mit ihnen übe ein anderer: Wir übernehmen jeweils die Verantwortung für unser eigenes Handeln, unser eigenes Tun und Lassen und für die daraus entstehende Dynamik. Ich mach mir also bewusst, dass mein Handeln auch das Handeln meines/r Partner(in)* beeinflusst und dessen Agieren wiederum Einfluss auf mein eigenes Handeln hat.  Für die Dynamik ist es dabei übrigens völlig unerheblich, ob zuerst die Henne oder das Ei da war.

Die Schuld –Tradition      

Während Schuld also eng mit Fehlverhalten verbunden ist und daher zu Abwehr führt ist Verantwortung nicht wertend, im Gegenteil oft positiv besetzt. Denn wer Verantwortung übernimmt, kann handeln, Dinge zum besseren verändern und aus der machtlosen, wenn auch oft bequemen, schuldzuweisenden Opferrolle aussteigen.  

Das Wort „Schuld“ durch Verantwortung zu ersetzen ist dann also vielmehr als reine Wortkosmetik, wenn damit auch die beschriebene Veränderung der inneren Haltung einhergeht.

Zugegeben, eine innere Haltung zu ändern ist nie einfach und meist ein längerer Prozess. Dies trifft bei umso mehr zu, wenn man in einem System sozialisiert wurde, in dem Schuld und Strafe eine ganz selbstverständliche Rolle spielen, wie dies in unserer christlich – abendländischen Kultur nun mal der Fall ist. Alle Rechtsysteme und Religionen fußen auf diesem Gedankengut. Eine Welt ohne Schuld und Strafe ist kaum vorstellbar, vielleicht auch nicht praktikabel. Wäre es vor diesem Hintergrund aber nicht umso wünschenswerter, wenn wir uns in unserem nächsten persönlichen Umfeld eine Insel schaffen könnten, auf der die Frage der Schuld zumindest etwas in den Hintergrund tritt und durch selbstermächtigende Verantwortung ersetzt wird?

 

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Prinzip 4: Subjektive Wahrheiten akzeptieren

Wahrheit ist, dass es DIE EINE Wahrheit nicht gibt. Schon gar nicht in solch komplexen Strukturen wie menschlichen Beziehungen. Wenn wir dies anerkennen, wird es plötzlich sinnlos, sich darum zu streiten, was wahr ist, ob Du oder ich recht haben. Die frei gewordenen Kapazitäten können wir dann dazu nutzen, neugieriges Interesse zu zeigen an der persönlichen Wahrheit des /der PartnerIn.  

„Natürlich gibt es Wahrheiten“ werden Sie vielleicht bei sich denken. „Du hast gestern gesagt, Du magst meine Mutter nicht“. „Nein, das habe ich nicht gesagt.“ Es stimmt, auf gewisser Ebene gibt es eine Wahrheit, Fakten also. Denn entweder hat Person A gesagt, dass sie die Mutter nicht mag, oder sie hat es eben nicht gesagt. Eines davon ist eine Tatsache und dennoch ist es unsinnig, sich hier um die Wahrheit zu streiten.

 Unnötige Wahrheiten

Zum einen werden wir nicht mehr objektiv herausfinden können, welche der beiden Versionen wahr ist, zum anderen bringt es uns auch keinen Schritt weiter zu wissen, was gestern gesagt wurde – ich nenne so etwas „unnötige Wahrheiten“. Warum aber verlieren sich dann so viele Paare in sinnlosen Scharmützeln z.B. über das, was (nicht) gesagt wurde, statt tatsächlich darüber ins Gespräch zu kommen, was das Verhältnis zur Schwiegermutter belastet.

Dafür gibt es einige Gründe:

  • Es muss erst einmal erkannt werden, dass es sich hier um ein unnützes Scheingefecht handelt.
  • Der Streit (z.B. über die berühmte offene Zahnpasta Tube) ist oft Ventil für Unzufriedenheit auf anderen, essentielleren Ebenen.
  • Es ist so schön Recht zu haben.

Willst Du recht haben oder glücklich sein?

Aber warum sind wir so erpicht darauf, Recht zu haben? Wenn wir Recht haben setzen wir den anderen automatisch ins Unrecht, und das gibt uns ein Gefühl der Überlegenheit. Das ist vielleicht kein besonders edler Charakterzug, aber offenbar sehr „menschlich“. Wir müssen uns dafür also nicht schämen oder uns selbst und andere verurteilen, sondern es reicht, wenn wir diesen Zusammenhang erkennen und annehmen. Nur so können wir allmählich umlernen, denn Recht haben bringt uns in der Paarbeziehung nicht weiter.

Ein Hindernis anzuerkennen, dass es eben nicht nur die eine Wahrheit gibt, ist aus meiner Erfahrung auch die Angst vieler Menschen, in eine Art Beliebigkeit abzudriften und die Orientierung zu verlieren, wenn alles wahr sein kann.

 Ist alles wahr? Oder nichts?

Weder ist alles wahr noch nichts. Für unsere Orientierung gibt es unsere Werte, sie sind ein besserer Kompass als das Recht Haben. Und es gibt innere Wahrheiten. Wenn ich mich traurig fühle oder enttäuscht ist das wahr. Das heisst aber nicht, dass es wahr ist, dass mein(e) PartnerIn sich falsch verhalten hat.

Ich-Botschaften (z.B. „Ich bin traurig“) sind praktisch immer wahr, wer sie anzweifelt unterstellt dem anderen zu lügen. Du Botschaften („Du hast Dich falsch verhalten“) dagegen basieren auf Vermutungen und Interpretationen, sind also nicht objektivbierbar, leicht angreifbar und führen somit oft zu unnötigen Scharmützeln um eine Pseudo-Wahrheit.

Versuchen Sie es doch mal mit folgendem Gedanken, am besten dem/der PartnerIn gegenüber laut ausgesprochen, wenn Sie mal wieder mit einer für Sie unverständlichen „Wahrheit“ konfrontiert werden:

„Vielleicht hast Du ja recht.“

 

* =Einen Überblick über diese Prinzipien finden Sie hier
den 1. Blog der Serie -“Möglichkeitsraum erweitern“ hier.
den 2. Blog der Serie -“Umparken  im Kopf“ hier.
den 3. Blog der Serie -“Zukunftsorientierung“ hier.

Der nächste Blogs beschäftigen sich mit dem 5. Prinzipien meiner Arbeit:
Dynamik statt Schuld

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Miklaw im Deutschlandfunk

Am Samstag, den 10.4.21 hat der Deutschlandfunk in der Reihe Wochenendjournal um 09.10 eine Sendung ausgestrahlt zum Thema Offene Beziehungen und Polyamorie. Ich freue mich sehr, dass ich Gelegenheit hatte, zu dieser Sendung durch ein Interview und die anonymisierte Vorstellung eines Klientenpaares beizutragen.  

Die Frage, ob die klassische Monogamie die einzig richtige Beziehungsform ist, hat inzwischen eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Das haben auch viele Medien erkannt bzw. selbst dazu beigetragen. Zum Glück nicht nur die Sensationspresse, die sich zuweilen gerne an diesem vermeintlich skandalträchtig-frivolen Thema abarbeitet, sondern auch seriöse Medien wie der Deutschlandfunk.

Was Marlene schon vor 100 Jahren wusste

Die Sendeanstalt schreibt zu Ihrer Sendung am 10.4:

Sprechen die Männer von Treue, lächle ich nur vor mich hin. Liebe ist ewig das Neue, Treue hat gar keinen Sinn!“, sang Marlene Dietrich in den 1920er-Jahren. Was sie damals infrage stellte, steht auch heute wieder auf dem Prüfstand: die monogame Beziehung.

Marlene Dietrich
Marlene – Ich weiß nicht zu wem ich gehöre  – Coverversion mit vollem Text anhören

Ob in der Ratgeberliteratur, in Zeitungsartikeln oder anhand von prominenten Paaren: Das Modell der offenen Beziehung wird viel diskutiert, gepriesen und verdammt – und ist dabei fast zu einer Art Modethema geworden. Auch Polyamorie – die Möglichkeit, mehrere Beziehungen ganz offen gleichzeitig zu führen – ist vielen Menschen mittlerweile zumindest ein Begriff.

Können solche Beziehungskonstrukte wirklich gelingen? Oder sind Gefühle wie Eifersucht und der Wunsch nach dem oder der Einen nicht viel zu tief in uns verankert?

Ob vor hundert Jahren oder jetzt – gute und interessante Fragen, denen der Deutschlandfunk da auf der Spur ist. Gut, dass Monogamie auf dem Prüfstand steht und zunehmend hinterfragt wird. Das sollte mit allen Konzepten geschehen, heißen sie nun Monogamie, Polyamorie oder offene Beziehung.

Konzepte hinterfragen

Nur diese kritische Auseinandersetzung mit Liebeskonzepten verhindert, dass Menschen wie automatisch und „bewustlos“ in eine Beziehungsform schlittern, die vielleicht gar nicht wirklich zu ihren Wünschen und Bedürfnissen passt.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

Link zu Deutschlandfunk Wochenendjournal, dort auf 10.4.21 gehen https://www.deutschlandfunk.de/das-wochenendjournal.1664.de.html

Dirketer link zur Audiodatei hier:

 

 

Prinzip 1: Möglichkeitsraum erweitern

In einem früheren Blog-Beitrag habe ich einen kurzen Überblick über die fünf Grundprinzipien gegeben, die ich bei der Begleitung meiner Klienten anwende. Heute möchte ich Ihnen das erste Grundprinzip genauer vorstellen. Es lautet:

Den Möglichkeitsraum erweitern

Viele Probleme in Beziehungen ergeben sich daraus, dass auf einen bestimmten Auslöser oder Trigger seitens Partner A immer, die selbe, standardisierte, automatische Reaktion seitens Partner B folgt, woraufhin wiederum Partner A „wie immer“ reagiert. Die immer wiederkehrende Abwärtsspirale ist in Gang gesetzt.

Welchen Ausweg gibt es?

Was wäre, wenn die Partner mehr Auswahl hätten bei den Möglichkeiten auf den Trigger des anderen reagiert? Es würden neue Dynamiken und Interaktionen zwischen den Partnern entstehen. Abseits ausgetretene Pfade könnte Neuland betreten werden.

Es gibt zwar keine Garantie dafür, dass jeder neu gefundene Weg in jedem Fall ein Ausweg aus dem Problem ist, aber allein der Überraschungseffekt, dass Neues, bisher Ungewohntes möglich ist, hilft schon vielen Paaren aus erstarrten Automatismen auszubrechen.

Wer tut was er immer tut bekommt was er immer bekommt

Es geht also nicht um Veränderung im Sinne von „ich mache zukünftig ´X statt Y, weil Y falsch und schlecht ist“, sondern um „ich erarbeite mir eine Auswahl von X,Y und Z, damit ich in jeder Situation das passende „Werkzeug“ einsetzen kann.

Wer nur mit einem Hammer umgehen kann, sieht in jedem Problem ein einen Nagel – frei nach Paul Watzlawick. Und natürlich kann man auch mit einem Hammer ein Brett in zwei Teile teilen – wer aber neben dem Hämmern auch des Sägens mächtig ist tut sich leichter. Es ist also gut für unterschiedliche Situationen unterschiedliche Werkzeuge zu beherrschen. Das gilt auch für Liebesbeziehungen.

In meinen Beratungen erforsche ich gemeinsam mit meinen Klienten, welche Erweiterungen des Spielfeldes der jeweiligen Partner hilfreich sein könnte; wo sie sich selbst in ihrer Handlungsfreiheit durch tief eingegrabene Mustern beengt fühlen.

Ein Beispiel:

Partner B erkennt: „Statt mich wie immer sofort zu rechtfertigen. könnte ich in Zukunft schauen ob es aus der Kritik meines Partners etwas zu lernen gibt“. Diese Bewegung von Partner B kann Partner A helfen seinerseits zu erkennen: „Wenn mir etwas nicht gefällt, möchte ich das zukünftig gelassener, sachlicher und weniger aggressiv vortragen“.

Solche Erkenntnisse bedeuten zwar nicht, dass sofort die alten Muster verlassen werden können aber sie weisen den Weg zum Ausgang aus dem Teufelskreis. Der Rest ist Übung, Bewustheit und Disziplin – wie immer wenn Sie etwas neues erlernen möchten.

Die nächsten Blogs beschäftigen sich mit folgenden weiteren Prinzipien meiner Arbeit:
Umparken im Kopf,  Zukunftsorientierung, Subjektive Wahrheiten als solche akzeptieren, Dynamik statt Schuld

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Die 5 Prämissen meiner Beratung

Die folgenden fünf Grundprinzipien, die ich bei der Begleitung meiner Klienten anwende, habe ich nicht selbst erfunden. Sie leiten sich ab aus meinem Verständnis und meiner Interpretation des systemischen Beratungsansatzes. Aber mit diesem theoretischen Hintergrund müssen Sie sich eigentlich gar nicht so genau befassen. Deswegen beschreibe ich hier die fünf Grundsätze möglichst praxisnah:   

  1. Möglichkeitsraum erweitern: Entwicklung hin zu Ihrem angestrebten Ziel bedeutet für mich nicht, dass Sie bisher etwas falsch gemacht haben, sondern dass es in bestimmten Situationen bessere Handlungsalternativen gibt, die Ihnen bisher noch nicht zur Verfügung standen. Sie sind also eingeladen, Ihren Werkzeugkasten um neue Instrumente zu erweitern und sich mit deren Handhabung vertraut zu machen.
  2. Umparken im Kopf: Denn von einem anderen “Parkplatz“ aus ergeben sich auch neuen Blickwinkeln neue Perspektiven. Wenn Sie etwas anschauen von einem Standpunkt aus den Sie bisher noch nicht eingenommen haben, wird das, was Sie sehen dadurch weder richtiger noch falscher, nur vollständiger. Dies wiederum erlaubt einen besser funktionierenden Umgang damit.
  3. Zukunftsorientierung: Wie Einstein schon sagte: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Die Vergangenheit können wir nicht ändern; was wir tun können ist zukünftig unseren Blick auf das Geschehene zu erweitern (siehe Punkt 2) und die Zukunft weiträumiger zu gestallten (siehe Punkt 1). Und wir können uns vergangenen Erfahrungen als Ressourcen für die zukünftige Gestaltung unseres Lebens zu Nutze machen.
  4. Subjektive Wahrheiten als solche akzeptieren: Wahr ist, dass es nicht DIE WAHRHEIT für alle gibt, sondern jeder seine eigene Sicht auf die Welt und deren Zusammenhänge hat. Weil sich die eigene Wahrheit so besonders wahr anfühlt, ist es oft schwierig sich vorzustellen, dass es unserem Gegenüber ganz genauso ergeht. Die Übung, fremde Wahrheiten statt sie zu bewerten mit Neugierde zu betrachten, kann viele Kommunikationshindernisse in der Partnerschaft abschmelzen.
  5. Dynamik statt Schuld: Die Frage ist nicht, was macht mein Partner falsch, auch nicht was mache ich falsch, sondern was bewirkt mein Tun bei meinem Gegenüber. Während erstere Fragen ein Fehlverhalten unterstellen und damit „automatisch“ zu Abwehr führen, ist die letztere eine Forschungsfrage, die uns Auskunft gibt, wie die Zahnräder im „paardynamischen Getriebe“ ineinander greifen.

Wenn sie die fünf Prämissen meiner Beratung genauer kennenlernen möchten, dann abonnieren Sie am besten diesen Newsletter, denn in loser Folge werde ich die fünf Grundprinzipien jeweils in einem eigenen Beitrag detaillierter und mit Beispielen erläutern.

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Bild aktualisieren

Nach fast 10 Jahren habe ich mein Portraitfoto auf meiner Homepage aktualisiert. Menschen verändern sich im Außen wie im Innen, daher ist es wichtig von Zeit zu Zeit Bilder zu erneuern. Bilder, die wir von uns selbst haben, Bilder mit denen wir uns anderen gegenüber darstellen und Bilder die wir beispielsweise von unserem Partner oder Partnerin haben. 

Es ist wie mit Kindern, die man jeden Tag sieht. Man bemerkt nicht, dass sie wachsen. Nur Menschen die die Kinder selten zu Gesicht bekommen entfleucht das berühmte: „Ach bist Du aber groß geworden“. Im Alltag erkennen wir oft nicht wie wir uns selbst verändert haben mit den Jahren und wie der/ die Partner(in) sich entwickelt hat – ja vielleicht gewachsen ist.

Du hast Dich gar nicht verändert

Was meist als Kompliment gemeint ist, löst bei mir selbst keine wahre Freude aus. Sollte ich mich tatsächlich gar nicht entwickelt haben und der Stagnation anheim gefallen sein? Für mich zwar keine schöne Vorstellung, aber offensichtlich ist Veränderung bei vielen Menschen nicht besonders gut beleumundet.

Warum ist das so? Denken wir Veränderung geht meist ins Negative? Oder liegt es daran, dass Veränderung auch immer bedeutet, Bekanntes, Berechenbares zu verlassen und sich ins unbekannte, unwägbare Neue zu begeben – was durchaus auch in der Umgebung unangenehme Ängste auslösen kann.

Aus der Praxis

In meiner Praxis erlebe ich oft, daß Probleme in der Partnerschaft aus folgenden zwei Phänomenen heraus entstehen:

  1. Partner A sieht Partner B noch immer so, wie dieser vor vielleicht 10 Jahren war
  2. Partner A macht Partner B Vorwürfe, dass dieser nicht mehr so ist wie früher

Wenn ein Satz oder Gedanke mit den Worten beginnt „Mein(e) Partner(in) ist /macht immer…..“ deutet das oft auf das erster Phänomen hin. Fragen Sie sich dann:

  • Stimmt es tatsächlich daß mein(e) Partner(in) IMMER dies oder jenes tut oder sagt?
  • Oder ist es vielleicht so, daß dies zwar FRÜHER OFT der Fall war, nun aber weniger geworden ist?

Im 2. oben beschriebenen Fall der Vorwürfe rate ich den Partnern zu schauen, was genau sie an den Veränderungen kritisieren, was ihnen vielleicht sogar Angst macht. Da wir oft vor dem Angst haben, was wir nicht kennen, ist es ratsam Veränderungen des Partners nicht einfach nur abzulehnen, sondern uns dafür zu interessieren, diese Veränderungen genauer kennen zu lernen.

Zugegeben – all das ist nicht immer einfach – auch nicht In der geschützten und begleiteten Situation einer Beziehungsberatung. Allerdings fällt es unter professioneller Betreuung doch oft leichter den Mut zu fassen, das nicht ganz einfache zu tun und anzusprechen.



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Interview: Fragen an einen Freund

Neulich bat mich ein Journalist der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa) um ein Interview zum Thema: „Fremdgehen und Loyalität in Freundschaften“. Wie soll man sich verhalten, wenn man mit bekommt, dass ein(e) Freund(in) ohne Wissen ihres/ihrer Partner(in) heimlich andere sexuelle Kontakte hat? Oder wenn man merkt, dass ein Freund oder eine Freundin sexuell „hintergangen“ wird?

Der Artikel, der auf Grundlage des Interviews entstand, ist kürzlich in der Reihe „Fragen an einen Freund“ in mehreren Tageszeitungen erschienen, u.a. in der „Frankfurter Rundschau“ und der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (aus meiner Heimatstadt Heidelberg)*.

Täter und Opfer

Nicht ganz glücklich bin ich mit der vom Journalisten gewählten Terminologie vom „Fremdgeher“ und vom „Betrogenen“. Zwar wird dadurch einerseits sofort klar, welche Rolle jeweils gemeint ist, auf der anderen Seite lösen diese Begriffe aber starke Assoziationen aus zu Begriffen wie „Täter“ und „Opfer“.

Aus meiner Beratungserfahrung kann ich sagen, dass es in der Realität kaum so ist, dass einer von beiden ausschließlich und alleinig die Schuld trägt und der andere keinerlei Verantwortung für das Geschehene hat.

Wenn also Paare in einer Situation sexueller Untreue zu mir kommen, ist es wichtig zu klären, welchen Beitrag jeder von beiden innerhalb des Systems dazu geleistet hat. Noch wichtiger allerdings ist es herauszufinden, welchen Beitrag jeder von beiden zukünftig leisten kann, damit es nicht mehr zu weiteren Unehrlichkeiten und Vertrauensverlust in der Beziehung kommt.

Diese Unehrlichkeit, die sehr oft mit einer sexuellen Außenbeziehung oder -begegnung einher geht ist nach meiner Erkenntnis wesentlich schädlicher und gefährlicher als die direkte Kränkung des Partners durch den anderweitigen sexuellen Kontakt.

With a little help from my friends

Nun aber noch mal zurück zum Interview: Ich plädiere darin dafür immer zuerst den aktiven Teil anzusprechen, wenn man „Regelverletzungen“ im Freundeskreis verMUTet. Und das erfordert eben auch Mut. Ein sofortiges, unbedachtes „Petzen“ halte ich aber für genauso verfehlt wie ein „Das geht mich überhaupt nichts an“.

Ich vertrete hier einen pragmatischen Ansatz, der nicht von einer bestimmten Sexualmoral ausgeht. Vielmehr ist er von der Erkenntnis getragen, dass langfristig gute und stabile Beziehungen, die wir ja alle wollen, nur in einem Umfeld von Offenheit und Vertrauen gedeihen können. Eine (länger währende) Verstrickung in Lügen und Ausreden hingegen höhlt eine Beziehung von innen heraus solange aus bis sie in sich zusammenbricht.


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Schuld oder Verantwortung?

Bis in die 70er Jahre wurde vor Gericht festgestellt, wer von beiden die Schuld an einer Scheidung trägt. Das gibt es heute so zu Glück nicht mehr. Dennoch ist der Gedanke immer noch weit verbreitet, klären zu wollen, wer an einer bestimmt Situation schuld ist. Beratungen in meiner Praxis klammern die Schuldfrage weitestgehend aus. Warum sich das bewährt hat lesen Sie hier:

 
In meiner Arbeit mit Klienten ersetzt ich das Wort Schuld durch Verantwortung. Doch worin liegt der Unterschied? Bevor Sie direkt weiter lesen, können Sie einmal eine Minute inne halten, und für sich selbst diese Überlegung anstellen – vielleicht sogar zusammen mit Ihrem/Ihrer Partner(in) – und dann Ihre Ergebnisse mit meiner Sichtweise vergleichen.

 

Vorwärts oder rückwärts

Verantwortung ist nach vorne gewandt, Schuld nach hinten. Schuld ist derjenige, der in der Vergangenheit etwas falsch gemacht hat. Es tun sich damit also gleich zwei Probleme auf: Erstens ist es oft nicht eindeutig festzustellen was falsch und was richtig ist. Dazu bräuchte es ein von beiden Partnern anerkanntes, verbindliches und ganz eindeutiges Wertesystem, denn nur in Bezug auf ein solches, also auf eine bestimmte verbindliche Moral oder Ethik kann etwas falsch ( =nicht dieser Norm entsprechend) oder richtig ( = im Einklang mit dieser Norm) sein. Zweitens liegt das Tun oder Lassen das zur Schuld geführt hat in der Vergangenheit und kann daher nicht mehr rückgängig gemacht werden.

 
Die Schuldfrage wird oft vor allem deshalb geklärt, weil der Schuldige dann die Verantwortung für die Folgen seines Handelns übernehmen muß. Was aber, wenn beide Partner von sich aus Verantwortung für das übernehmen, was sie selbst Gutes tun können, unabhängig, ob sie dazu durch einen „Schuldspruch“ gezwungen wurden? Dann wird es für die Lösung einer Situation unerheblich wer die Schuld für sie trägt.

 
Durch die meist unfruchtbare Diskussion darüber, wer Schuld hat, wird oft sehr viel Zeit und Energie verschwendet, die bei der tatsächlichen Lösung der Probleme dann fehlt. Aus meiner Erfahrung ist dies einer der Hauptgründe, warum Paare sich „im Kreise drehen“ statt voran zu kommen. Deshalb ist es mir in meinen Beratungen ein wichtiges Anliegen meine Klienten weg von dem lähmenden Schuldfrage-Kampf hin in die lösungsorientierte Eigenverantwortung zu begleiten.

 

Ein Beispiel

Stellen Sie sich vor, sie haben sich durch Unachtsamkeit aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausgesperrt. Wer ist daran Schuld? Sie! Stellen Sie sich nun vor, Ihr(e) Partner(in) kommt wenig später nach Hause und hat ihren eigenen Schlüssel dabei. Wer ist nun in der Verantwortung die Tür zu öffnen? Natürlich derjenige, der einen Schlüssel hat. VerANTWORTung führt zu Antworten, Schuld nicht.
 


 

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