Interview: Fragen an einen Freund

Neulich bat mich ein Journalist der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa) um ein Interview zum Thema: „Fremdgehen und Loyalität in Freundschaften“. Wie soll man sich verhalten, wenn man mit bekommt, dass ein(e) Freund(in) ohne Wissen ihres/ihrer Partner(in) heimlich andere sexuelle Kontakte hat? Oder wenn man merkt, dass ein Freund oder eine Freundin sexuell „hintergangen“ wird?

Der Artikel, der auf Grundlage des Interviews entstand, ist kürzlich in der Reihe „Fragen an einen Freund“ in mehreren Tageszeitungen erschienen, u.a. in der „Frankfurter Rundschau“ und der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (aus meiner Heimatstadt Heidelberg)*.

Täter und Opfer

Nicht ganz glücklich bin ich mit der vom Journalisten gewählten Terminologie vom „Fremdgeher“ und vom „Betrogenen“. Zwar wird dadurch einerseits sofort klar, welche Rolle jeweils gemeint ist, auf der anderen Seite lösen diese Begriffe aber starke Assoziationen aus zu Begriffen wie „Täter“ und „Opfer“.

Aus meiner Beratungserfahrung kann ich sagen, dass es in der Realität kaum so ist, dass einer von beiden ausschließlich und alleinig die Schuld trägt und der andere keinerlei Verantwortung für das Geschehene hat.

Wenn also Paare in einer Situation sexueller Untreue zu mir kommen, ist es wichtig zu klären, welchen Beitrag jeder von beiden innerhalb des Systems dazu geleistet hat. Noch wichtiger allerdings ist es herauszufinden, welchen Beitrag jeder von beiden zukünftig leisten kann, damit es nicht mehr zu weiteren Unehrlichkeiten und Vertrauensverlust in der Beziehung kommt.

Diese Unehrlichkeit, die sehr oft mit einer sexuellen Außenbeziehung oder -begegnung einher geht ist nach meiner Erkenntnis wesentlich schädlicher und gefährlicher als die direkte Kränkung des Partners durch den anderweitigen sexuellen Kontakt.

With a little help from my friends

Nun aber noch mal zurück zum Interview: Ich plädiere darin dafür immer zuerst den aktiven Teil anzusprechen, wenn man „Regelverletzungen“ im Freundeskreis verMUTet. Und das erfordert eben auch Mut. Ein sofortiges, unbedachtes „Petzen“ halte ich aber für genauso verfehlt wie ein „Das geht mich überhaupt nichts an“.

Ich vertrete hier einen pragmatischen Ansatz, der nicht von einer bestimmten Sexualmoral ausgeht. Vielmehr ist er von der Erkenntnis getragen, dass langfristig gute und stabile Beziehungen, die wir ja alle wollen, nur in einem Umfeld von Offenheit und Vertrauen gedeihen können. Eine (länger währende) Verstrickung in Lügen und Ausreden hingegen höhlt eine Beziehung von innen heraus solange aus bis sie in sich zusammenbricht.


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…Kontrolle ist besser?

Kontrolle sei besser als Vertrauen, meinte zumindest Lenin und wollte damit sagen man soll sich nur auf das verlassen, was man nachgeprüft hat. Dies mag in einigen Lebensbereichen seine Richtigkeit haben – nicht so in der Liebe.

 

Lenin verstarb zu früh um die Theorien des Physikers Werner Heisenberg zu kennen, die in etwa besagen, dass wir ein System, welches wir beobachten, messen und erst recht eines, welches wir zu kontrollieren versuchen, dadurch auch verändern.

 

Man muss kein berühmter Quantenphysiker sein um nachvollziehen zu können, dass wir unseren Partner nicht kontrollieren können ohne dass dies einen Einfluss auf ihn oder sie hätte – und zwar einen Negativen.

 

Kontrolle warum?

Es gibt grundsätzlich zwei Motive, den Partner kontrollieren zu wollen, die oft nicht scharf zu trennen sind:

 

Entweder geht es darum zu erfahren, was der Partner so tut. Dann kontrollieren wir ob das was er oder sie sagt, was er/sie tut auch der Wahrheit entspricht.

 

Oder wir wollen kontrollieren ob der andere auch das aus unserer Sicht „Richtige“ tut.

 

Wenn Sie nun nach dem Lesen dieser beiden Möglichkeiten eine ganz feine Kontraktion oder Einschnürung in Ihrem Bauch wahrnehmen – achten Sie einmal bewusst darauf – ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass Sie (oder zumindest ihr Körper) spüren, das Liebe so nicht funktionieren kann.

 

In beiden Fällen nämlich mangelt es an Vertrauen in den Partner und Misstrauen ist Gift für die Liebe.

 

So tun als ob

Vertrauen bedeutet so tun als ob, auch wenn man sich nicht 100% sicher sein kann. Ist man sich 100% sicher, braucht man kein Vertrauen mehr, da es durch Gewissheit ersetzt wird. Doch auch wenn wir es uns noch so wünschen – Gewissheit gibt es im Leben nicht (allerhöchstens im Tod).

 

Kontrolle einem Partner gegenüber wird genau das eintreten lassen, was die Kontrolle eigentlich verhindern sollte. Der kontrollierte Partner wird sich vom Kontrollierenden entfernen.

 

Wenn Sie sich selbst also dabei ertappen, Ihren Partner zu kontrollieren, fragen Sie sich zunächst ob es wirklich einen spezifischen Grund für Ihr Misstrauen gibt? Wurde Ihr Vertrauen tatsächlich von diesem Partner schon einmal missbraucht?

 

Selbst wenn das der Fall ist, kann die dauerhafte Lösung nicht in Kontrolle liegen sondern im Aufbau eines wacheren, lebendigeren Vertrauens als bisher. Zugegeben, kein ganz leichter Weg, auf dem ich Sie aber gerne begleite.