Furchtbar oder fruchtbar

Keine langfristige, ernsthafte Beziehung kommt ohne Konflikte aus aber es ist ein entscheidender Unterschied ob diese in furchtbare Streits oder fruchtbare Auseinandersetzungen münden. Sie haben die Wahl!

 

Zugegeben, der letzte Satz ist ein wenig provokant, denn wenn das wirklich so einfach wäre mit der Wahl, dann gäbe es diese furchtbaren Streits ja gar nicht. Wer will die schon?

 

Diese Frage ist nicht so rhetorisch wie sie scheint, denn auch schlimme Streits haben eine Funktion. erfüllen einen Zweck, der den meisten Menschen freilich nicht bewusst ist. Sie lassen ein Paar gemeinsam tiefe Emotionen erleben und dabei ist das Vorzeichen – Minus für Streit und Verletzung oder Plus für Freude und Intimität – erst einmal egal.

 

Streiten bedeutet Wunsch nach Kontakt

Mit anderen Worten: Streiten bindet Menschen emotional aneinander aber es gibt eben sinnvollere, fruchtbarere, schönere, nährendere Formen der Begegnung. Wenn Sie viel streiten, stellen Sie sich die Frage: Auf welche Weise genau würde ich statt dessen lieber mit meinem Partner in Verbindung sein? Streiten drückt immer den Wunsch nach Kontakt aus, auch wenn es sicherlich geeignetere Möglichkeiten gibt, dieses Bedürfnis zu erfüllen. Diese anderen Optionen aber gilt es erst einmal zu erkennen und zuerlernen.

 

Sie sehen schon, Konfliktvermeidung ist kein Lösungsweg, denn damit würde man auch dem Kontakt auf dem Wege gehen. Auch deshalb weil angestaute, ungelöste, also schwelende Konflikte zu so etwas wie „Korrosion auf den Kontaktflächen“ führen

 

Konfliktvermeidung ist keine Lösung – was dann?

Konflikte müssen zeitnah und konstruktiv ausgetragen werden, aus zwei Gründen: Zum einen führt jeder für BEIDE Seiten gut gelöste Konflikt, ein Konflikt also, nach dessen Lösung es weder einen Gewinner und einen Verlierer, noch all zu faule Komprisse gibt, an sich schon zu tieferem Kontakt. Zum anderen schafft ein solcher Art beendeter Konflikt wieder Platz um sich gemeinsam mit „gereinigten Kontaktflächen“, den freudvollen Dingen des Lebens zuwenden zu können.

 

So gesehen, erschrecken Sie nicht vor dem nächsten Konfiken – schrecken Sie nicht vor ihnen zurück, sondern freuen Sie sich über die Chance, den positiven Kontakt mit Ihrem Partner zu vertiefen.

 

Leicht gesagt

Wahr ist aber natürlich auch, dass sich nicht jeder Konflikt einfach mal so eben ohne Gewinner, Verlierer und faule Kompromisse bereinigen lässt. Das braucht viel Einfühlungsvermögen, Selbstreflektion, Mut und kommunikatives Geschick – alles Dinge die wir leider nicht in der Schule lernen (obwohl sie viel nützlicher sind als mach anderer angeeigneter Ballast).

 

Weil diese Fertigkeiten aber, wie alles andere auch, erst einmal erlernt und geübt werden müssen, ist es oft schwierig, ohne Hilfestellung von außen direkt den furchtbaren Streit in eine fruchtbare Auseinandersetzung zu verwandeln. Scheuen Sie sich daher nicht, dabei auch auf professionelle Unterstützung zurück zu greifen.

…Kontrolle ist besser?

Kontrolle sei besser als Vertrauen, meinte zumindest Lenin und wollte damit sagen man soll sich nur auf das verlassen, was man nachgeprüft hat. Dies mag in einigen Lebensbereichen seine Richtigkeit haben – nicht so in der Liebe.

 

Lenin verstarb zu früh um die Theorien des Physikers Werner Heisenberg zu kennen, die in etwa besagen, dass wir ein System, welches wir beobachten, messen und erst recht eines, welches wir zu kontrollieren versuchen, dadurch auch verändern.

 

Man muss kein berühmter Quantenphysiker sein um nachvollziehen zu können, dass wir unseren Partner nicht kontrollieren können ohne dass dies einen Einfluss auf ihn oder sie hätte – und zwar einen Negativen.

 

Kontrolle warum?

Es gibt grundsätzlich zwei Motive, den Partner kontrollieren zu wollen, die oft nicht scharf zu trennen sind:

 

Entweder geht es darum zu erfahren, was der Partner so tut. Dann kontrollieren wir ob das was er oder sie sagt, was er/sie tut auch der Wahrheit entspricht.

 

Oder wir wollen kontrollieren ob der andere auch das aus unserer Sicht „Richtige“ tut.

 

Wenn Sie nun nach dem Lesen dieser beiden Möglichkeiten eine ganz feine Kontraktion oder Einschnürung in Ihrem Bauch wahrnehmen – achten Sie einmal bewusst darauf – ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass Sie (oder zumindest ihr Körper) spüren, das Liebe so nicht funktionieren kann.

 

In beiden Fällen nämlich mangelt es an Vertrauen in den Partner und Misstrauen ist Gift für die Liebe.

 

So tun als ob

Vertrauen bedeutet so tun als ob, auch wenn man sich nicht 100% sicher sein kann. Ist man sich 100% sicher, braucht man kein Vertrauen mehr, da es durch Gewissheit ersetzt wird. Doch auch wenn wir es uns noch so wünschen – Gewissheit gibt es im Leben nicht (allerhöchstens im Tod).

 

Kontrolle einem Partner gegenüber wird genau das eintreten lassen, was die Kontrolle eigentlich verhindern sollte. Der kontrollierte Partner wird sich vom Kontrollierenden entfernen.

 

Wenn Sie sich selbst also dabei ertappen, Ihren Partner zu kontrollieren, fragen Sie sich zunächst ob es wirklich einen spezifischen Grund für Ihr Misstrauen gibt? Wurde Ihr Vertrauen tatsächlich von diesem Partner schon einmal missbraucht?

 

Selbst wenn das der Fall ist, kann die dauerhafte Lösung nicht in Kontrolle liegen sondern im Aufbau eines wacheren, lebendigeren Vertrauens als bisher. Zugegeben, kein ganz leichter Weg, auf dem ich Sie aber gerne begleite.